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Von denen, die das Siek bewohnten

Geschichte und Geschichten um Menschen und Höfe in der Waldmark
(Kirchspiel Schledehausen)

Aus besonderem Grunde setzte ich an den Anfang meines Berichtes eine familiäre Angelegenheit aus der Vergangenheit: Der nicht interessierte Leser möge über diesen Abschnitt hinwegsehen. Am 13. Juni 1937, also vor nunmehr 25 Jahren, fand auf Einladung meines 1941 verstorbenen Bruders Heinrich Westerfeld die erste Zusammenkunft eines umfangreichen Verwandtenkreises in Schledehausen statt, zu der eine größere Zahl von Bauernhöfen des Osnabrücker Landes ihre Angehörigen entsandt hatten. Die Versammlung wies insofern etwas Besonderes auf, als bis auf eine Ausnahme ein halbes Dutzend eingesessene und geachtete Bauernfrauen, natürlich mit verstorbenen Frauen, die Zentralpunkte des großen Verwandtschaftskreises bildeten, auch im Hinblick auf zurückliegende Jahrhunderte.

Es handelte sich um die Abkömmlinge der sechs Töchter und eines Sohnes der Ehefrau Marie Dorothea Lammert, geb. Döhrmann, auf Vollerbe Lammert Nr. 8 in Astrup, deren Ehemann der Vollerbe Adam Heinrich Lammert war. Die Mutter dieser M. D. Lammert, geb. Döhrmann, war Marie Elisabeth Siek. Sie kam aus dem Hause, in dem ich geboren wurde. ich komme darauf zurück. Aus der großen Schar der Abkömmliche der Marie Dorothea Lammert, geb. Döhrmann ist schon im vorigen Jahre der Wunsch geäußert worden, eine weitere Zusammenkunft des Verwandtenkreises ins Werk zu richten.

Im Juni dieses Jahres wäre nun wieder der geeignete Zeitpunkt dafür gekommen, Der Schreiber dieses Berichtes ist Angehöriger der oben bezeichneten Sippe und Teilnehmer des ersten Verwandtentages vor 25 Jahren. Eine weitere Zusammenkunft würde auch ihm Freude machen, doch traut er sich die Vorbereitung und Leitung derselben nicht mehr zu. Er denkt gern an die vielen Verwandtenbesuche vor langen Jahren zurück. Von seiner Generation lebt nur noch knapp ein halbes Dutzend. Zur Orientierung der jüngeren Glieder der Verwandtschaft, für welche die Zusammenhänge allmählich verloren gehen, soll hier einiges aus der alten Zeit mitgeteilt werden. Vielleicht können diese Aufzeichnungen der Familien- oder Hofgeschichte hinzugefügt werden.

Ein Spaßmacher der jüngeren Sprösslinge der Verwandtschaft bezeichnete deren Angehörige, die bei ihm in hohem Ansehen stehen, mit dem Sammelnamen "Lammerts Sorte". Dem Berichtschreiber gefällt diese Sammelbezeichnung, und er verwendet sie in diesen Ausführungen. Von den Teilnehmern der Zusammenkunft vor 25 Jahren ist bis jetzt etwa ein Drittel verstorben. Die große Zahl der Leser dieser Zeitung aus Lammerts Sorte ermutigt mich, hier einige persönliche Angaben folgen zu lassen, die man sonst einer Zeitung nicht gern anvertraut. Der erste Teil des in der Überschrift genannten Themas möge der "Lammerts Sorte" gewidmet sein.

Im Jahre 1802 heiratete Marie Elisabeth Siek aus dem Sieke auf den Vollerbenhof Döhrmann in Hiddinghausen. Deren Tochter Marie Dorothea Döhrmann heiratete 1842 den Vollerben Adam Heinrich Lammert in Astrup. Die Nachkommen dieser beiden Frauen mögen in folgendem kurz "Lammerts Sorte" genannt werden. Mit der Angabe des Jahres ihrer Verheiratung werden deren Kinder hier genannt: 1. Marie Elisabeth Lammert, verh. 1866 mit dem Kolon Friedrich Julius Strothmann in Schinkel. 2. Joh. Friedr. Lammert, geb. 1844, Anerbe in Astrup. 3. Anna Marie Wilhelmine Lammert, geb. 1844, verh. 1871 mit Erbkötter Gerhard Westerfeld in Grambergen. 4. Marie Luise Lammert, geb. 1852, verh. 1873 mit dem Kolon Joh. Heinr. Wiemann in Nemden. 5. Marie Engel Karoline Lammert, geb. 1855, verh. 1875 mit dem Kolon Joh. Gerh. Friedr. Brörmann in Haltern. 6. Marie Karoline Lammert, verh. mit dem Lehrer A. Meyer in Westerbeck. 7. Anna Marie Elise Lammert, geb. 1861, verh. mit Kolon Wilhelm Kemper in Astrup. - Eine stattliche Zahl von Kindern dieser meiner Großmutter. Eine Reihe von Höfen des Osnabrücker Landes wurde also mit Frauen der Lammerts Sorte ausgestattet, und überall wehte, von diesen wesentlich beeinflusst, ein frischer Wind, was auch dazu Veranlassung gab, daß die eingangs erwähnte Zusammenkunft in Schledehausen so gut besucht war. Die heutigen Bauernfrauen klagen mit Recht über die Schwere der ihnen aufgebürdeten Pflichten. Ihre Lasten sind aber mit den alten Zeiten nicht zu vergleichen. Wie oft habe ich im Hochsommer als Kind nach durchgestandenem heißen Erntetag meine Mutter, die ja eine Lammert war, beim Zubettgehen seufzen hören: "Watt is dat doch got, dat man endlich to Berre (Bett) gaun kann". Aus besonderen Gründen hatte die Genannte es schwer, hat aber trotzdem viel Freude erlebt.

Woher die Lammerts kamen, sei hier kurz berichtet. Nicht allgemein bekannt ist die Tatsache, daß die meisten der heute lebenden Stättenbesitzer wohl namensmäßig, jedoch nicht blutsmäßig seit 500 oder 700 Jahren auf ihren Höfen sitzen. Seit unbekannten Zeiten waren die Lammerts als Wörderer im Dorfe Schledehausen ansässig. Im Jahre 1600 übernahmen sie in Winn (= gegen eine Abgabe in bestimmten Zeitabschnitten) das Vollerbe Nortzerbe (Northoff, Nortken Erbe) in Astrup vom Landesfürsten. Von der Wortstätte in Schledehausen erhielt sich lange der Speicher, Lammerts Spieker, zwischen Hoppe-Langenkamp und Niehenke, zu meinen Zeiten Konfirmandensaal. Schon wenige Jahre nach der Übernahme des Hofes in Astrup konnte der Lammert den Winn nicht mehr bezahlen. Sein Sohn heiratete die Nachbarstochter Elsche Lührmann. Nun wurde die fällige Abgabe schon im voraus abgeführt.

Das Siek und seine Bewohner
Marie Elisabeth Siek, die 1802 auf Döhrmanns Stätte heiratete, wurde die Stammmutter der Lammerts Sorte. Mit der Mutter des Berichters, Anna Marie Wilhelmine, geb. Lammert, kehrte Sieks Blut 1881 auf Sieks Stätte zurück.

Das Siek bildet ein schmales, winkliges, kurzes, von steilen Höhen begrenztes Tal, das ehemals völlig in den Waldungen der Waldmark eingebettet war. Noch heute greifen von allen Seiten als Folge der ungünstigen Verkehrslage nicht gerodetete Waldstücke in seinen Bereich ein. Wer dem Siek, das trotz seiner Entlegenheit im ganzen Kirchspiel bekannt ist, freundlich gesinnt ist, nennt seine Landschaft reizvoll, besonders im Frühjahr zur Zeit der Baumblüte, oder im Winter, wenn Talsohle, Hänge und Höhen mit Schnee bedeckt sind. Wer will, kann auch leicht das Gegenteil beweisen. Doch sind die Wegeverhältnisse schon seit Jahren erheblich besser geworden, so daß heute sogar eine Teerstraße zum Sieke führt, leider muß man sagen "vorbeiführt". Die geologischen Vorbedingungen für eine Zerklüftung des Geländes sind gegeben. Bis vor die Haustüren der wenigen Bewohner des Tales reichen Kalkstein, Sandstein, heller Mergel, roter Mergel (westfälische Erde), Moränenschutt und anderes Gestein. Der Acker an den Hängen und auf den Höhen variiert zwischen schwerem Lehm über guten Mischboden zu leichtem Sand.

Schon früh erfahren wir etwas über die ersten Siedler im Siek. Hier dürfen wir keine Voll- und Halberben erwarten. Für diese hatte günstiges Gelände an anderen Plätzen zur Verfügung gestanden. Es handelt sich um drei Markkötter und vom Dreißigjährigen Kriege an noch um einen Heuerling. Alle führten nach der Talschlucht den Namen Siek in der damaligen Sprach- und Schriftform. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an finden wir die Namen der drei Markkötter in wechselnder Form verzeichnet. Da die Namen der drei Besitzer und des Heuerlings im Bericht wiederkehren, mögen ihre jetzigen Hausnummern genannt werden, auf die der Kürze halber verwiesen werden soll. Talaufwärts: Möller-Grote (Karl) Nr. 23, Strakeljahn Nr. 44, Rose-Grote (Heinrich) Wellner Nr. 24, Siek-Westerfeld Nr. 26. Hier einige der alten Namen (ohne Hausnummern) 1540: 1 Wobeke by den Syke, 2. Joh. by den Syke, 3. Gerke by den Sike.

Bis zum 30jährigen Kriege bleibt es bei diesen drei Namen, allerdings in vielfach abgeänderter Schreibweise. 1634 erscheint der Heuerling Bernd im Syke, wahrscheinlich Nr. 44, später zeitweise Schafstall von Nr. 23. In Nr. 24 taucht Siek der Schnid (= der Schneider), später in bekannten Zeiten Siekschnieder (sieh weiter unten) auf. Im Jahre 1759 kaufte Vollerbe Waldmann von Jakob Schäfer die Besitzung Nr. 23. W. verkaufte sie 20 Jahre später wieder und erwarb das eingegangene Halberbe Radenkampf. 1840 besaß J. Ad. Siek auf Nr. 26 die beiden Markköttereien Nr. 26 und Nr. 23.

Gründer des Hotels Siek in Bad Essen
Den jungen Anerben der Bäckerei Klövekorn, später Hotel Siek in Bad Essen, heute Landschulheim, nahm Kaiser Napoleon 1812 mit nach Moskau. Auf dem Rückmarsch starb er und wurde in Smolensk begraben. Bei Klövekorn erbte jetzt eine Tochter, die einen Siek von Nr. 26 heiratete. In dem gutgehenden Hotel fiel im letzten Kriege der Besitzer Erich S. Dieser hatte in Erfahrung gebracht, daß auf der Giebelspitze seines Ahnen, meines Elternhauses, eine eiserne Windfeder mit dem Namen Siek und der Jahreszahl 1857 vorhanden gewesen sei. Der genannte S. war als Soldat zweimal auf unserem Hofe, um die mit seinem Namen versehene hundertjährige Windfeder, die dem Alter und den Stürmen zum Opfer gefallen war, da nieman sie in den 100 Jahren geschmiert hatte, zu suchen. S. suchte vergeblich, ein Althändler hatte das Erinnerungsstück wohl mitgenommen, und der Sucher selbst kehrte aus dem Kriege nicht zurück.

Grenzstreit und Totschlag im Sieke
Im Jahre 1821 ereignete sich im Sieke eine grauenvolle Bluttat. Joh. Hermann Siek auf Nr. 26, gest. 20.Mai 1821, 38 Jahre alt, wurde fünf Tage vor der Geburt seines zweiten Sohnes, Joh. Wilh. Siek, von seinem Nachbarn, Siekschnieder, mit dem er sich n ie vertragen konnte, um einer unbedeutenden Grenzstreitigkeit willen mit einem "Spaden" so an den Kopf geschlagen, daß "die Knochen zersplitterten und das Gehirn mit Blut angefüllt wurde". Jener Siekschnieder auf der Stätte Nr. 24. wurde zur Festungshaft verurteilt und abgeführt. Bei der Anwesenheit des Königs Georgs IV. in Osnabrück wurde er begnadigt, als sein Frau, von Landrat Gruner begleitet, bei welchem Siekschnieder früher gedient hatte, den König auf der Schloßtreppe in Osnabrück fußfällig um Gnade angefleht hatte.

Adolf Westerfeld, 1962
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Last update: October 3rd, 2004